Warum versagen paranormale Fähigkeiten so oft unter Laborbedingungen?

Esoterik, Gesellschaft, Grenzgebiete, Natur+Wissenschaft, Philosophie.

Anhänger einer ganzheitlichen, spirituellen Geisteshaltung empfinden es immer wieder ernüchternd, wenn nicht gar enttäuschend, dass sich trotz etwa 100 Jahren seriöser parapsychologischer Forschung die Grenzen des gängigen naturwissenschaftlichen Weltbildes nur unerheblich in einer von ihnen gewünschten Richtung verschoben haben. Insbesondere Experimente zur Überprüfung para-normaler Fähigkeiten in wissenschaftlichen Versuchsanordnungen liefern keine eindeutigen Ergebnisse oder gar Beweise. Einer der Gründe ist nach meinem subjektiven Empfinden: Das »System« scheint mit einer bestimmten Ethik gekoppelt zu sein. Es ist doch merkwürdig, dass sich immer wieder Freiwillige für Tests zur Verfügung stellen, obwohl hinlänglich bekannt sein müsste, dass eine Bestätigung ihrer Fähigkeiten dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass paranormal Befähigte gelegentlich in Fernsehshows ihre Künste demonstrieren. Es handelt sich eben nicht um Bedingungen der wissenschaftlichen Nachprüfbarkeit, und nur eine solche kann zu einer allgemein anerkannten Tatsache führen.

Davon abgesehen gibt es ethische Negativa – die freilich keine wissenschaftlichen Argumente sein können –, sowohl auf der gesellschaftlichen als auch auf der subjektiven Ebene:

  • Wenn okkulte Fähigkeiten zweifelsfrei nachgewiesen würden und damit eventuell auch eine sichere Methode zu ihrem Erwerb aufgezeigt würde, so gereichte dies der Gesamtgesellschaft gewiss eher zum Schaden als zum Nutzen. Kapitalistische, diktatorische und militärische Anwendungen würden zu unvorstellbaren Problemen führen. Die Gefahr, die von der skrupellosen Praxis weniger Machthaber ausginge, könnte durch die positive Anwendung vieler Privatpersonen niemals aufgehoben werden. Es sollte nicht vergessen werden, dass es immerhin die Militärs in Amerika, in der Sowjetunion und in Nazi-Deutschland waren, die sich an erster Stelle für parapsychische Forschungen interessierten und solche auch unter Geheimhaltung durchführten.
  • Subjektiv mögen die getesteten parapsychisch veranlagten Personen  davon überzeugt sein, der Gesellschaft einen guten Dienst zu tun, wenn die übersinnlichen Phänomene endlich nachgewiesen würden und sich damit auch in positiver Weise das Weltbild der Menschen erweiterte. Wegen der obengenannten Gefahren wäre dies aus »höherer« Sicht aber dennoch nicht wünschenswert.
  • Würde eine Testperson die wissenschaftliche Bestätigung ihrer außergewöhnlichen übersinnlichen Fähigkeit erhalten, so würde das mit Sicherheit ihr Ego aufblasen. Es ist kaum vorstellbar, dass jemand den damit verbundenen Versuchungen widerstehen könnte. Esoteriker und Psychiker warnen deshalb schon seit Jahrtausenden1 vor den negativen persönlich-ethischen Auswirkungen, die der Besitz okkulter Kräfte mit sich bringe. Der wirklich nach Vollkommenheit Strebende dürfe diese nur zum Wohl der Menschen und unter Rückstellung seines Ego verwenden. Ansonsten könne er sie auch wieder verlieren. Besser sei es, den Erwerb dieser Fähigkeiten gar nicht erst anzustreben, sondern sie allenfalls als unerwartete Nebenresultate auf dem geistlichen Weg anzunehmen – falls sie sich überhaupt einstellen.

Weil ich glaube, dass im tiefsten Urgrund des Kosmos eine personhafte Macht wirkt,2 glaube ich auch, dass es unrelativierbare ethische Urprinzipien gibt, die von dieser universalen Person getragen werden und dem Wohlleben der Menschen und der gesamten Natur dienen. Es werden deshalb viele mit der Ethik ver­bundene Hindernisse überwunden werden müssen, um die Para-Phänomene zwei­felsfrei »objektiv« nachzuweisen. Auch wenn dies gelingen sollte, so erscheint es mir jedoch nach dem oben Gesagten gänzlich unmöglich, dass unter Um­gehung ur-ethischer Prinzipien solche Kräfte der Allgemeinheit zugänglich ge­macht werden können. Ich sehe also auch nicht die Gefahr, dass es Kapitalisten, Politikern, Militärs oder sonstigen egoistischen Mächten jemals gelingen wür­de, mithilfe okkulter Kräfte die Menschheit ins Unglück zu stürzen. Die Gefahr einer Menschheitskatastrophe geht in Wirklichkeit von unseren ganz irdischen Schwächen, also nicht-okkulten Kräften aus. Eine Gesellschaft, in der über­sinnliche Fähigkeiten jedermann ohne Einschränkungen zur Verfügung stünden, müsste schon – metaphorisch gesprochen – eine Gesellschaft von Engeln sein.

Da bis dahin sicher noch ein langer Weg zurückzulegen ist, sollten wir eigentlich froh sein, dass paranormale Fähigkeiten nicht für jeden locker erlernbar sind. Und bei der gegebenen Verfassung von Mensch und Gesellschaft ist erst recht zu hoffen, dass sie nie ein Objekt wissenschaftlicher Machbarkeit werden.


Quelle Foto Para-Test: Szene aus „Swan Orientation Film“ by DHARMA Initiative

  1. Ein frühes Beispiel ist Patanjalis Yoga-Sutra, Kapitel 3 (Entstehungszeit wahrscheinlich vor über 2000 Jahren) []
  2. Ich enthalte mich hier einer theoretischen Stellungnahme in der interreligiösen Streitfrage, ob die ultimative Realität ein persönlicher, sich offenbarender Gott ist oder ein un­per­sön­licher Urgrund. Es ist auch denkbar und erfahrbar, dass beide Sichtweisen richtig sind, dass das Ewige Ganze auch eine Stimme hat und sich kundtun kann. []
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