Sturm und Ruhe – Japaner im Auge des Orkans

Gesellschaft, Lebenskunst, Weltkultur, Zeitgeschehen.

Im Umgang mit ihrer Megakatastrophe haben die Japaner erstaunlich gefasst, diszipliniert und relativ wenig ängstlich reagiert. Das Geschehen macht uns alle im seelischen wie im physikalischen Sinne betroffen. In führenden Medien erschienen zu der hier an den Tag gelegten japanischen Mentalität eine Reihe von Berichten, die es wert sind, in der Flut der Tagesmeldungen nicht in Vergessenheit zu geraten. Sie vermitteln uns zumindest informatorisch ein tieferes Verständnis dieses in vieler Hinsicht bewundernswerten Volkes, auch wenn es meist nicht gelingt, die Ursachen dieser für uns fremden Mentalität zu verstehen.

In der bei uns geführten Mediendiskussion wird gelegentlich argumentiert, die Japaner seien so diszipliniert, weil sie auf engstem Raum zusammenleben müssten und deshalb keine andere Wahl hätten. Ich habe selbst längere Zeit unter Japanern in Tokio und Osaka – d.h. auf angeblich engstem Raum – verbracht, kann mich diesem Gedankengang aber nicht anschließen. Ich empfand Tokio nicht enger als Frankfurt oder München und erst recht weniger eng als New York. Japaner leben heute außerdem in Kleinfamilien, ähnlich wie wir. Es gibt viele andere Gegenden und Metropolregionen in der Welt, in denen die Menschen auch relativ eng zusammenleben und die dennoch wesentlich „undisziplinierter“ als die Japaner sind. Stärker prägend für japanische Solidarität und Anpassung sind Konfuzianismus, Buddhismus, Shintoismus, Taoismus und Besonderheiten der japanischen Geschichte. Äquivalent und modifiziert gelten diese Zusammenhänge auch für Chinesen und Koreaner. Wer die strenge Disziplin, der sich vor allem Nordkoreaner und im milderen Maße Festland-Chinesen ohne aufzumucken unterwerfen, einmal im Fernsehen gesehen hat, kann das auch von hier aus nachvollziehen.

Presse-Berichte zum Denken und Handeln der Japaner in der Katastrophe:


Die Ruhe im Sturm Interview des Tagesspiegel mit der in Deutschland lebenden japanischen Schriftstellerin Yoko Tawada. „Das Wort Katastrophe klingt für japanische Ohren anders als für deutsche.“

Von der japanischen Mentalität – Schönheit als Gesicht des Schreckens FAZ-Hintergrundbericht von Ian Buruma mit starkem Rekurs auf japanische Religion und Philosophie

Gelassen bleiben – Japans mentale Immunabwehr Beitrag aus der NZZ von Ludger Lütkehaus mit Bezügen zu japanischen Geistestraditionen wie Zen und Bushido, eine durchaus kritische Sicht.

Zuallererst kommt die Gemeinschaft – Die Besonnenheit der Japaner in der Katastrophe hat ihren Grund NZZ-Beitrag von Urs Schoettli, der u.a. die westliche Sicht auf Japan kritisiert.

”An Naturkatastrophen gewöhnt” – Japan-Experte Florian Coulmas über Japans Mentalität taz-Interview über den Umgang mit der Katastrophe und die Frage, warum es in Japan keine starke Anti-Atombewegung gibt

Die Ruhe nach dem Sturm – Diszipliniert und geduldig bewältigen die Menschen die Verheerung Bericht aus der ZEIT von Georg Blume über japanische Überlebenskunst mit Einzelschicksalen

Keine Panik in Japan – Selbstdisziplin in der Katastrophe Petra Kolonko fragt in ihrem FAZ-Bericht: Sind die Japaner ganz anders? – Japaner selbst behaupten dies manchmal gern von sich und werden dafür oft belächelt von westlichen Gesprächspartnern.


Bildquelle Yoko Tawada: Jens-Ulrich Koch/ddp

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