Koran und Bibel – grundsätzliche Unterschiede

Geschichte, Literatur, Religion, Weltkultur.

Im Dialog zwischen islamischer und westlicher Kultur werden Bibel und Koran meist als vergleichbar oder gleichwertig hingestellt; beide seien »heilige Schriften«, heißt es. Diese Gleichstellung ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Aufbau und Geschichte:

Bei der Bibel handelt es sich um eine Sammlung von Mythen, Legenden, Erzählungen, prophetischen Worten, Gottesworten, Briefen und Offenbarungen – mit vielfältiger Autorenschaft aus etwa einem Jahrtausend. Die Erstellung der Texte der heutigen Bibel fand spätestens um 200 n.Chr. ihren Abschluss, die Auswahl der Texte und damit die endgültige Zusammenstellung der christlichen Bibel erfolgte 325 n.Chr. auf dem Konzil zu Nicäa.

Beim Koran handelt es sich um Texte, die alle zu Lebzeiten und im Beisein des Propheten Mohammed (570-632 n.Chr.) geoffenbart wurden. Nach dem Glauben der Muslime handelt es sich um direkte Ansprachen von Gott, arabisch: Allah – auch arabischsprachige Christen nennen Gott übrigens „Allah“ -, durch den Erzengel Gabriel an die Menschheit. Der Koran beinhaltet 114 Gottesreden, Suren genannt. Ihre Endfassung wurde noch vom Propheten selbst festgelegt. Die erste Zusammenstellung als Buch erfolgte unmittelbar nach dessen Tod unter der Leitung seines langjährigen Gefährten und ersten Nachfolgers bzw. Kalifen Abu Bakr.

Stellenwert und Interpretation:

Fromme Muslime betrachten den Koran nicht nur als direktes Wort Gottes, sondern auch als schon immer bei Gott befindlich. Demzufolge schreiben islamische Gläubige und Theologen dem Koran ewige Gültigkeit zu. Der Interpretationsspielraum ist daher recht eng, insbesondere in Bezug auf die koranischen Gebote und Verbote. Einzelne Schriftstellen des Koran können innerhalb gewisser Grenzen ausgelegt und relativiert werden. Für die islamische Theologie ist es aber undenkbar, ja Ketzerei, sie als spätere Veränderungen, Hinzufügungen oder gar Irrtümer anzusehen. Der Mensch kann sich unmöglich über Gott, den Allwissenden, stellen. Der Koran ist der Mittelpunkt des islamischen Glaubens.

Die Theologen der großen Volkskirchen betrachten die Bibel in ihrer Gesamtheit als von Gott inspiriert, und insofern drückt sie Gottes Willen und Gottes Lehre für die Menschheit aus. Die einzelnen Bücher der Bibel wurden aber von einer größeren Zahl von Menschen aufgezeichnet, zusammengestellt, geringfügig verändert und letztendlich als „gültig“ abgesegnet. Sie enthalten daher neben dem göttlichen Geist auch Irrtümer in Details, Widersprüche, unwichtige oder nur dem damaligen Zeitgeist geschuldete Stellen und sogar Aussagen, die aus heutiger Sicht abzulehnen sind. Dies ist Konsens unter den Theologen des Mainstream-Christentums aller großen Konfessionen. In einigen kleineren christlichen Gemeinschaften glaubt man an eine wesentlich stärkere Inspiration der Schreiber der Bibel durch den Heiligen Geist bis hin zur Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift. Weder die Bibel als Ganze noch das Neue Testament im Besonderen stehen im Christentum jedoch im Mittelpunkt. Dieser Platz gebührt allein Jesus Christus, dem Sohn und menschlichen Aspekt Gottes.

Zusammenfassung:

Entscheidend für den Islam ist der Glaube an den Koran, entscheidend für das Christentum ist der Glaube an Jesus Christus.

Geschichte, Literatur, Religion, Weltkultur.